Die pinke Karte und der rote Bus
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Endlich: Als der Zeiger auf die volle Stunde springt, nimmt das Tutemännchen oben links pflichtbewusst seine Arbeit auf und trompetet. Dazu schlägt seine Frau herzallerliebst die Glocke. Die Stadtführerin quittiert die entzückten Blicke zufrieden: „Dafür kommen die Menschen sogar aus Japan zu uns!“
Wir stehen vor der Astronomischen Uhr im St.-Paulus-Dom zu Münster. Was macht dieses Kunstwerk so außergewöhnlich?
Es ist zehn Uhr: Das Tutemännchen tutet zehnmal, und seine Frau schlägt die Glocke dazu an.
Spektakulär ist zunächst einmal ihr Alter:
Nachdem die Wiedertäufer das Vorgängermodell im so genannten „Bildersturm“ 1534 zerstört hatten, begannen sechs Jahre nach dem Sturz der Aufrührer die Vorbereitungen für eine neue Weltzeituhr. Entstehen sollte ein Meisterwerk, das heute - fast 500 Jahre später - aus technischer wie künstlerischer Sicht einmalig ist.
Wer sich ein wenig Zeit für das außergewöhnliche Messinstrument nimmt, trifft schnell auf faszinierende Details.
Insgesamt besteht die Uhr aus drei Teilen. Ganz unten befindet sich das Kalendarium. Ursprünglich ermöglichte es die Berechnung des Ostertermins für jedes beliebige Jahr von 1540 bis 2071. Die Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 machte den Erbauern allerdings einen Strich durch die Rechnung.
Darüber folgt das eigentliche Ziffernblatt. Nanu? Der Stundenzeiger wandert ja links herum? „Genau!“, bestätigt die Fachfrau. „Der Zeiger folgt dem Lauf der Sonne.“ Einen Minutenzeiger gibt es nicht. Aber die Uhr geht bis heute exakt. Verantwortlich dafür zeichneten einst Dietrich Tzwyvel, Buchdrucker und Mathematiker, sowie der Franziskaner und Domprediger Johann von Aachen. Sie konstruierten das Ziffernblatt so, dass vier Minuten einem markierten Winkelgrad auf dem äußersten 360-Grad-Kreis entsprechen. Die Schmiedearbeiten übernahm Nikolaus Windemaker.
Wie kommt die Astronomie in den Dom?
Mit dem epochalen Werk "De revolutionibus" von Nikolaus Kopernikus, das im März 1543 in Umlauf kam, setzte sich endlich die Lehre durch, dass die Sonne das Zentrum des Universums bildet. Allein: Die Uhrenbauer in Münster waren da schon fertig. „Also ist hier nach wie vor die Erde der Mittelpunkt, um den alle anderen Planeten kreisen“, erklärt die Stadtführerin.
Sieben Zeiger stehen für die damals schon bekannten sieben Planeten. Die Uhr verrät kundigen Sternenforschern viel: Der Sonnenzeiger lässt den Stand der Gestirne am Himmel, die Polhöhe der Sonne, ihre Position im zutreffenden Tierkreiszeichen sowie die aktuelle Mondphase erkennen. Astronomie in der Kirche? „Das hat schon seine Richtigkeit“, beteuert die Fachfrau. Denn früher waren diese Daten wichtig, um die kirchlichen Feiertage zu bestimmen. Und so finden sich die Tierkreiszeichen in trauter Einigkeit mit den vier Evangelisten und Auszügen aus den Evangelien.
„Der Zeiger folgt dem Lauf der Sonne.“
Inzwischen ist eine Viertelstunde vergangen.
Jetzt wird es ein wenig gruselig. Alle 15 Minuten tritt das Duo auf der rechten Seite in Aktion: Chronos, der geflügelte Gott mit der Sense, dreht seine Sanduhr um, während der Tod das Stundenviertel schlägt.
Dabei zeigt der dritte Teil der Uhr eigentlich eine friedvolle Szene: Der Giebel-Aufsatz stellt den Stall von Bethlehem dar. In der Mitte thront Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Links und rechts davon schauen die Bürger Münsters auf die Jungfrau. Verewigt hat sie der Münstersche Maler Ludger tom Ring der Ältere mit Hilfe seiner Söhne. Bei der Gelegenheit hat er sich kurzerhand mit rotem Mantel und schwarzem Barett dazugemalt. Auch die Konterfeis der Konstrukteure und des Schlossers Windemaker ergänzte er. Ein wenig Eigenlob darf schon sein!
Wer um zwölf Uhr mittags vorbeischaut, erlebt in dieser dritten „Etage“ übrigens ein weiteres Spektakel. Dann nämlich zieht der Stern von Bethlehem vorbei und bringt die Heiligen Drei Könige mit, die sich in acht Metern Höhe vor Maria und dem Jesuskind verneigen.
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