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9. Juli 2018Alessandro Antonelli war ein Mann mit Visionen. Geleitet von seinem Ehrgeiz wollte der italienische Ingenieur und Architekt hoch hinaus. Und zwar so hoch wie noch nie ein Mensch zuvor.
Beim Wahrzeichen der Stadt Turin gelang ihm das in rein technischer Hinsicht schon einmal ganz gut. Der berühmte pavillonartige Bau, der auf der Zwei-Cent-Münze abgebildet ist, heißt nicht umsonst "Mole Antoniella" - Mole bedeutet schließlich "sehr großes Bauwerk". Allerdings explodierten die Baukosten während des Unterfangens so stark, dass der ursprüngliche Auftraggeber - die jüdische Gemeinde - die Bauherrenschaft schließlich entnervt niederlegte. Aus, der Traum von einer prachtvollen Synagoge ...
Mit Unterstützung einer Bürgerinitiative konnte die Stadt Turin das halb fertige Bauwerk übernehmen. Als die "Mole Antoniella" 1889 endlich fertig gestellt war, übertraf sie mit einer Höhe von 167,50 Metern sogar den acht Jahre zuvor vollendeten Kölner Dom. Damit war sie eines der höchsten begehbaren Bauwerke der Welt - und das gänzlich ohne Zuhilfenahme von Eisenbeton, denn Antonelli war ein strikter Verfechter der klassischen Mauerkunst.
Auf der Jagd nach Rekorden
Eines der höchsten Ziegelsteinbauwerke der Welt? Ein Rekord, den ein weiterer Mitstreiter in der Reihe der Anwärter auf den Thron so nicht stehen lassen möchte: Denn während an den Bau in Turin noch nicht einmal zu denken war, hatte Alessandro Antonelli in der zweitgrößten Stadt des Piemonts, Novara, bereits ein anderes ehrgeiziges Projekt begonnen: eine Kuppel für die Stadtkirche San Gaudenzio.
Möglicherweise waren die Auftraggeber hier etwas entspannter in Geldfragen, hatten sie doch bereits Erfahrung mit ungewöhnlichen Finanzierungsmodellen gesammelt. Schon drei Jahrhunderte zuvor, als der Neubau von San Gaudenzio am höchsten Ort der Stadt beginnen sollte, zeigte sich schnell, dass die Kassen eigentlich zu leer waren für ein so kostspieliges Projekt. Nach kurzer Zeit war das Budget verbraucht - was tun? Genau dasselbe wie heutzutage auch noch: Die Steuerzahler sollten einspringen! Flugs führte die Verwaltung eine Fleischsteuer ein und erhob sechs Denar pro Fleischkauf. So kam es, dass die Kirche seit ihrer Fertigstellung um 1700 zwar geweiht, aber in städtischem Besitz ist.
Als gut 100 Jahre später der wirtschaftliche Aufschwung kam, beschlossen die Stadtväter, endlich die Sache mit der fehlenden Kuppel anzugehen. Antonelli, schon vorher an der Umgestaltung des Stadtzentrums beteiligt, erhielt 1841 den Auftrag - und legte in gewohnter Manier los.
„Unsere Cupola di Alessandro Antonelli ist das höchste Ziegelsteingebäude der Welt.”
Und wie er loslegte! Die Kuppelkonstruktion wird von vier mächtigen Bögen getragen. 5572 Tonnen Stein ruhen auf ihnen. Allein die Kuppelhöhe ab den Tragbögen beträgt 121 Meter. Hinzu kommt die Höhe der Basilika selbst. WIR haben das höchste Ziegelsteingebäude der Welt", behaupten die Einwohner somit selbstbewusst - und haben "La Cupola di Alessandro Antonelli" stolz zu ihrem Wahrzeichen gemacht.
Wer auch immer nun Recht hat bei der Frage nach dem höchsten Gebäude - ein Aufstieg lohnt sich auf jeden Fall.
Unser Motto wird wahr: Die Welt liegt uns zu Füßen!
Von oben liegt einem vielleicht nicht die ganze Welt zu Füßen - zumindest aber die Stadt Novara. In luftiger Höhe über den Dächern der Stadt ist man sogar geneigt, an die Legende zu glauben, die sich um den Heiligen Gaudenzio rankt: An einem Wintertag soll der Erzbischof von Mailand unangekündigt zu Besuch gekommen sein. Der Gastgeber, der nicht vorbereitet war, schickte verzweifelt seine Bediensteten in den Garten - und siehe da: Sie kehrten mit prächtig blühenden Rosen zurück. An dieses "Blumenwunder" wird heute noch am 22. Januar gedacht ...
Wirklich hoch hinaus: Der Blick in die Kuppel der Basilika ist beeindruckend.
Den 92 Meter hohen Glockenturm hat Benedetto Alfieri gebaut.
Bis zu diesem Höhenniveau kommen Besucher noch mit dem Fahrstuhl. Danach ist Treppensteigen angesagt.
Entdecker-Tipp
Entdecker-Info
Wer die Kuppel von San Gaudenzio besteigen möchte (täglich ab 10 Uhr), sollte sich vorher im Tourismusbüro anmelden:
Telefon: +39 0321/ 394059
Mail: info@turismonovara.it.
Noch mehr Antonelli?
Ein weiteres Antonelli-Bauwerk finden Architekturfans im romantischen Weinstädtchen Romagnano Sesia: die Villa Caccia. Das Gebäude ist zwar stark renovierungsbedürftig - ein kleines Juwel ist aber das in einem bereits renovierten Seitenflügel untergebrachte "Völkerkunde-Museum des Niedrigen Sesia-Tals".
Das mag auf den ersten Blick etwas trocken klingen - ist es aber ganz und gar nicht! Hier gibt es nicht nur Ausstellungsgegenstände rund um den Weinanbau, sondern auch ein Klassenzimmer aus früheren Zeiten, eine original eingerichtete Dorfkneipe und farbenfrohe Trachten.
4 Comments
Super. Ich mag die italienische Geschichte und die vielen, auch feinteiligen, Facetten. Der Beitrag ist spannend und lehrreich und als Wahlitalienerin bin ich natürlich umso begeisterter, dass der Artikel in deiner Places to love Rubrik erschienen ist. LG Julia
Dankeschön! Mich hat das einfach fasziniert, dieser Wille des Architekten – über alle Widerstände und finanziellen Engpässe hinweg! Und Italien ist einfach immer eine Reise wert! Kein Wunder, dass die Amis so narrisch danach sind!
das ist ja wirklich ein unglaubliches Gebäude. Kann gut verstehen, dass du diesen Ort lieber. Hoffe, dass ich da auch mal hinkomme.
Das ist wirklich beeindruckend, wenn man da in diesem Ziegelstein-Monstrum mit der Wahnsinns-Kuppel steht! Ich wüsste echt gern mal, wie der Erbauer als Mensch so im Leben war. Der hat sich ja wirklich von nichts aus der Bahn werfen lassen bei seinen Bauprojekten!