Im Interview mit den Entdeckerstorys
3. September 2018Place Stanislas: Ein Platz zum Träumen
18. September 2018Mitten in der Nacht schrecke ich hoch. Was ist das für ein schrecklicher Lärm?
Noch im Halbschlaf rappele ich mich von meinem Strohsack auf und tappse zum Fenster. Auf dem Burghof herrscht große Aufregung! Pferde wiehern und scharren mit den Hufen, die Burgbewohner rennen durcheinander, ein paar verängstigte Schweine laufen quietschend umher, Mägde schleppen Wassereimer herbei. Und jetzt fällt auch mir auf, wie hell ist es mitten in der Nacht ist. Tatsächlich: Ein Teil der Befestigung steht ja in Flammen!
Ich bahne mir meinen Weg zum Bergfried und sause die steinerne Wendeltreppe hoch. Dies ist der höchste Turm der Burg, und von oben hat man den besten Blick über das Land. Nicht umsonst nennt man unsere Burg das „Auge des Elsass“. Doch als ich oben bin, wünsche ich mir, dass das, was ich sehe, nur ein Traum ist: Von zwei Seiten aus greift ein mächtiges Heer mein Zuhause an. Bogenschützen schießen brennende Pfeile auf die Burg ab, und am unteren Tor bereiten sich die Angreifer mit einem Rammbock darauf vor, die Burg zu erstürmen. Mir zittern die Knie vor Angst. Was wird wohl aus uns? Aber aufgepasst! Ist das nicht die Stimme meines Burgherrn, der mich ruft?
„Knappe Karolus – wo steckst du unnützer Taugenichts? Bring' mir meine Rüstung!“
So könnte es gewesen sein, vor gut 800 oder 900 Jahren auf der Burg Hohbarr bei Saverne im Elsass.
Heute ist das Elsass französisch, und die ehemals stolze Burg ist inzwischen eine Ruine. Auf Französisch klingt ihr Name aber immer noch recht eindrucksvoll: Château du Haut-Barr. Von Saverne aus führt ein Wanderweg zu der rund 450 Meter hoch gelegenen Festungsanlage, die auf drei mächtigen Felsen thront. Rund eine Stunde dauert der Weg zu Fuß den Berg empor. Aber weil es furchtbar heiß ist und ab und an ein Gewittergrollen ertönt, haben wir den bequemen Weg gewählt und uns kurzerhand ein Taxi genommen!
Als das Taxi uns vor dem Eingang absetzt, ist das Erstaunen groß: Das ist mal eine Ruine nach unserem Geschmack! Kein Wunder, dass wir sofort an die Abenteuer von Knappe Karolus denken! Eine Info-Tafel erklärt die Geschichte: Vor 900 Jahren wurde die Burg als Besitz der Straßburger Bischöfe erstmals erwähnt. Tatsächlich kann man bei gutem Wetter das Straßburger Münster in der Ferne erkennen. Vermutlich wurde Hohbarr aber nicht bei einem Angriff zerstört – sondern im Dreißigjährigen Krieg „geschleift“. Ihr wisst nicht, was das bedeutet? Ganz einfach: Die Gebäudeteile wurden abgerissen, damit sich niemand mehr hier verschanzen konnte.
„Knappe Karolus – wo steckst du unnützer Taugenichts? Bring' mir meine Rüstung!“
Von Teufeln und Eidechsen
Trotzdem fanden wir die Ruine immer noch sehr beeindruckend. Die Teufelsbrücke zwischen zwei besonders hohen Felsen ist nichts für Menschen mit Höhenangst. Wer sich aber traut, wird mit einem besonders tollen Blick belohnt. Selfie-Alarm bei Mama – wie peinlich! Ich hab mir in der Zwischenzeit eine kleine Eidechse angeschaut, die sich auf den warmen Felsen gesonnt hat. Ob Knappe Karolus sich an diesen Tierchen vor 800 Jahren wohl auch schon erfreut hat?!?
Noch einmal zurück ins Jahr ... vielleicht 1378?
Ich stelle mir vor, wie die Burgbewohner den Angriff auf Burg Hohbarr erfolgreich abgewehrt haben. Weil Knappe Karolus dabei besonders tapfer war, will ihn der Burgherr mit dem Ritterschlag belohnen. Aufgeregt kniet Karolus in der kleinen Kapelle auf dem Burgberg. Sein Herr überreicht ihm Sporen und Schwert, dann spricht er die traditionellen Worte:
Sei treu und beständig, sei freigiebig und demütig, sei mutig und voller Güte, achte auf dein Benehmen, sei mächtig zu den Herren, wohltätig zu den Armen, umgebe dich mit Waisen, fliehe überall die Törichten, vor allem liebe Gott, richte Weise gemäß seinem Gebot.
Geschichte ist spannend!
Entdecker-Info
Wer schon einmal in Saverne ist, sollte sich das Château des Rohan nicht entgehen lassen! Das "Kleine Elsässische Versailles" liegt im Stadtzentrum am Rhein-Marne-Kanal.
Mehr zu Stadt, Land und Leuten findet ihr in unserem Blogpost: "Mit dem Hausboot unterwegs".
8 Comments
Ein spanneder Beitrag! Als Architekturliebhaberin bin ich ein großer Fan von alten Burgen und Ruinen. Muss mir dann auch immer vorstellen, wie das vor Jahrhunderten wohl war dort zu leben, so wie du es beschrieben hast. Wünsche dir noch viele spannende Reisen! LG, Tamara
Liebe Tamara,
vielen Dank für Deine Nachricht! Ich kenne mich zwar noch nicht ganz so gut aus mit Architektur, aber ich möchte einmal ein Architekt werden! Wie schade, dass Burgen und Schlösser heutzutage nicht mehr gebaut werden, die sind so viel spannender als normale Häuser. Vielleicht kann ich später mal helfen, ein Schloss zu restaurieren? Bis dahin schaue ich mir einfach noch ganz viele an!
Viele Grüße vom kleinen Entdecker CJ
In alten Gemäueren finde ich es ebenfalls faszinierend, mir vorzustellen, was diese Mauern schon alles erlebt haben.
Liebe Dagmar, das finde ich prima! Erwachsene haben nämlich oft jede Fantasie verloren über all‘ ihrem langweiligen Erwachsenen-Kram! 🙂
Hallo! Das hört sich ja spannend an und da wir seit neuestem Bürger im Schwarzwald sind, ist das ja gar nicht so weit entfernt. Die „gute alte Zeit“ war sicher auch auf einer Burg, als Burgherr nicht immer gut. Immer auf der Hut sein, ob Feinde kommen… Liebe Grüße Gabriela
Liebe Gabriela,
die Franzosen haben uns ständig vom Foret noir vorgeschwärmt, der scheint dort beliebt zu sein! 🙂
Oja, eine gruselige Vorstellung, dass so ein Heer von Angreifern auf die Burg zumarschiert. Aber die Burgbewohner hatten wenigstens Mauern und Verteidigung! In einer Bauernkate am Wegrand hätte ich dann auch nicht leben mögen!!!!! Liebe Grüße von Carl dem Kleinen
Hi CJ,
auf der Burg war ich auch schon, als ich vor bald 20 Jahren im Elsass gelebt habe – ein Traum!
Wunderbarer Beitrag!
Deine
Shille
Liebe Shille,
lieben Dank Dir! Wir fanden das auch fantastisch dort! Der Blick ist großartig, und ich fand spannend, wie die Burg zwischen den Felsen gebaut worden ist. Was muss das für eine Arbeit gewesen sein!
Liebe Grüße!
CJ